Autor:
Dirk Jehmlich, Senior Advisor Innovation der Strategieberatung diffferent
Co-Autorin:
Maria Meermeier, Director Banking, Financial Services & Insurance
Hätten Sie jemals gedacht, dass eine simple „Merry Christmas“-SMS 107.000 Euro einbringen kann? Ist passiert, bei einer Versteigerung, und zwar passenderweise wenige Tage vor Weihnachten. Weil es die weltweit allererste SMS aus dem Jahr 1992 war und weil diese Kurznachricht jetzt als Non Fungible Token (NFT), also als ein nicht ersetzbares, nicht austauschbares digitales Einzelobjekt versteigert wurde.
Für Skeptiker ist das nur die nächste Volte. Auf dem internationalen Kunstmarkt haben digitale Kunstwerke und Sammlerstücke, als NFTs angelegt, bereits Rekordpreise erzielt. So gelang es – sozusagen als Spitze des Eisbergs – dem Auktionshaus Christie´s vor knapp einem Jahr, eine Collage des Digital-Künstlers Beeple für rund 69 Millionen US-Dollar zu verkaufen – eben als NFT und damit als exklusives digitales Asset. Klingt nach einem neuen grenzenlosen Hype, sieht nach überbordender Spekulation in der globalen Kunstwelt aus. Und weist doch zugleich weit über diesen sehr speziellen Nischenmarkt hinaus.
Das Potenzial von NFTs ist enorm, für Unternehmen, für Marken, das Marketing und für neue Geschäftsmodelle. Etwa im B2B-Bereich, bei der Kundenbindung, als Incentives für Communities oder im digitalen Lizenzgeschäft. Geschätzte globale Marktgröße in den kommenden zehn Jahren: mehr als eine Billion US-Dollar.
Zunächst ein paar grundsätzliche Anmerkungen zu den Wirkungsweisen von NFTs. Diese Blockchain-basierte Technologie erzeugt etwas, was der digitalen Welt eigentlich diametral zu widersprechen scheint: Exklusivität, also Verknappung. Und zwar bis hin zu einem Unikat, wobei sich die künstlich erzeugte Einzigartigkeit weniger auf das Objekt selbst, sondern auf den Besitz des digitalen Echtheits- und Eigentumszertifikats bezieht. Verknappung wiederum sorgt in der Regel für Begehrlichkeiten, schafft Wert und damit neue Märkte und Wachstumschancen für Unternehmen.
Nahezu alles, was heute digital darstellbar ist, lässt sich auch als NFT anlegen: Bilder, Videos, Audio, Rechte, Markenzeichen, Texte, Domains, Daten, Digital Twins, Konsumgüter, auch Wertpapiere und Immobilien. All das lässt sich sammeln, verkaufen, versteigern, verschenken, zeigen oder lizensieren. Damit sind NFTs in ihrer Anwendbarkeit auf lange Sicht kaum Grenzen gesetzt. Und mittlerweile eben mehr als nur eine Vision. Und damit hochinteressant für das Marketing.
Immer mehr Unternehmen setzen die NFT-Technologie bereits vielfältig ein. Nike hat sich Crypto-Shoes patentieren lassen, um im Kampf gegen Raubkopien Echtheitszertifikate für Sneaker ausstellen zu können. Louis Vuitton oder Dolce & Gabbana launchen Fashion Collections als NFTs. Porsche und die Kunstgalerie König präsentieren digitale Kunst auf riesigen LED-Bildschirmen am Times Square in New York und geben diese Werke dann als NFTs an Porsche-Fans ab. Coca Cola bietet in der Weihnachtszeit Schneekugeln und Cola-Flaschen als NFTs an. Samsung bringt ein smartes TV-Gerät mit integrierter NFT-Kauffunktion auf den Markt. Und erneut Nike: Der Sportartikel-Konzern hat sich kürzlich mit dem Kreativstudio RTFKT gleich einen NFT-Hersteller beziehungsweise die erste NFT-Lifestyle-Marke geschnappt.
Skeptiker werden trotzdem einwenden, dass NFTs noch ziemlich exotisch erscheinen für die meisten Menschen. Dass die Usability rund um die NFTs noch nicht intuitiv ist, dass bei den meisten Konsumenten die Crypto-Literacy fehlt und dass es eine unüberschaubare Anzahl von Plattformen gibt.
Das dürfen jedoch keine Ausreden sein. Innovationen sollte man nie an den KPIs bestehender, optimierter Systeme messen. Wer abwartet, verpasst die Chancen! Umso wichtiger ist es, dass Unternehmensvorstände, Geschäftsführer und Marketingverantwortliche ein Verständnis für die NFT-Technologie entwickeln, um diese dann früher als der Wettbewerb mehrwertsteigernd einsetzen zu können.
NFTs besitzen die große Kraft, das Operating Model und die Exekution von Kommunikation, CRM und Sales nachhaltig zu verändern. Mit NFTs lassen sich neue und innovative Geschäftsmodelle formen. NFTs werden als Trendsetter den Zeitgeist beeinflussen. Bereits jetzt krempeln sie die Kunstszene, stets ein Seismograph künftiger Entwicklungen, um und schaffen eine neue Ästhetik. Damit werden NFTs künftig auch unser Bild von Werbung und Kommunikation prägen.
NFTs können aber noch viel mehr – sie können unmittelbar helfen. Verkäufer der historischen „Merry Christmas“-SMS , als NFT nunmehr ein einzigartiges digitales Zeugnis, war übrigens Vodafone. Das ersteigerte Geld spendete der Mobilfunkkonzern nach eigenen Angaben an das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR).
Mit NFTs lassen sich neue und innovative Geschäftsmodelle formen. Sie werden als Trendsetter den Zeitgeist beeinflussen.
Dirk JehmlichSenior Advisor Innovation der Strategieberatung diffferent
Zusammenfassend meine 5 Key Takeaways:
- NFTs sind exklusive digitale Assets. Exklusivität heißt Verknappung: Verknappung schafft Wert und damit neue Märkte und Wachstumschancen für Unternehmen.
- Wie jede neue Innovation sind NFTs kurzfristig überbewertet und langfristig unterschätzt. NFT und Crypto sind heute das was Artificial Intelligence (AI) und Data vor fünf Jahren waren.
- Für Marken mit Fame und Fangemeinde sind NFTs eine enorme Wachstumschance im Kontext von Merchandise, digitalen Lizenzgeschäften und Customer Engagement.
- NFTs prägen eine neue Ästhetik und eröffnen neue Perspektiven auf Wert und Wertschöpfung.
- Die NFT-Technologie ist noch jung, die Usability noch nicht massentauglich und die Realisierbarkeit neuer Wachstumschancen braucht noch etwas Zeit. Aber genau diese Zeit benötigen Unternehmen, um sich auf die neuen Chancen vorzubereiten.